„Schreiben ist, den Menschen erfinden“

Jean-Paul Sartre

Buchtipps des Monats - März 2009

    Härtling: O’Bär an Enkel Samuel
  • Peter Härtling
  • O’Bär an Enkel Samuel
  • Kiepenheuer & Witsch 2008
  • ISBN 978-3-462-04060-9
  • € 14.95

Nicht alle Schriftsteller haben eine Familie, aber die meisten. Schriftsteller schreiben nicht immer, aber meistens. Wenn ein Schriftsteller Schwierigkeiten mit dem Schreiben hat, kann seine Familie der Ausweg sein, gerade wenn sie über mehrere Generationen reicht und sich auch kleine Kinder darunter finden. In diesem Fall ist es Enkel Samuel, der die Sprache lernt, die dem Schriftsteller zu fehlen scheint. Samuel findet und erfindet Wörter, liefert die aberwitzigsten Silbensprünge und Bubenstreiche und setzt seinen Großvater in größtes Erstaunen. Die überbordende Phantasie des »kleinen Herrn« führt dem Großen die eigene Blockade vor Augen, die sich durch Reisen zu Reden und Vorträgen längst nicht mehr durchbrechen lässt. Und so gibt es nur eine Lösung: Die wunderbar inspirierenden Spannungen zwischen Kind und Greis, die wortbefreiende Komik des Alltags und die innige Beziehung beider müssen erzählt werden. Und der Enkel muss erfahren, wie wichtig er für den Großvater geworden ist. Das geschieht in fünf Briefen an Samuel, dem Kernstück dieser warmherzigen Erzählung.

Peter Härtling gelingt ein Kunststück: Aus der genauen Beobachtung des Verhaltens und Sprechens eines Kleinkinds erschließt sich ihm ein Weg, von den großen Themen - Liebe, Alter, Verantwortung, Tod - zu erzählen und den Leser dabei tief zu berühren. EIN BETAGTER MANN, der mit den Begleiterscheinungen des Alterns hadert und sich immer weiter zurückzieht, und ein Knirps, der sich voller Neugier und Lebenslust in die Welt begibt, begegnen einander: In seiner Erzählung vom Großvater O'Bär und seinem dreijährigen Enkel Samuel gelingt Peter Härtling eine spielerische und anrührende Verquickung von eigenem Erleben und literarischer Fiktion - und das Porträt einer innigen Beziehung. (Verlagsinformation)

    Hefter: Die Küsten der Berge
  • Martina Hefter
  • Die Küsten der Berge
  • Wallstein 2008
  • ISBN 978-3-8353-0330-0
  • € 19.00

Fein gewoben und kraftvoll sind die Erzählbilder, die Martina Hefter herstellt. Erinnerungen und Augenblicke der unmittelbaren Gegenwart sind gleichermaßen in ihnen eingefangen und scharfgestellt.In Binz auf der Ostseeinsel Rügen treffen sie nach einer langen Autofahrt beim »Böhmerwirt« ein, eine Familie mit zwei Kindern, über die Martina Hefter ihr Erzählnetz auswirft. Bilder werden aufgerufen aus der unmittelbaren Wahrnehmung, aus den Medien, der Kindheit: das lange zurückliegende Ausreißen mit der Freundin aus dem kleinen Heimatort in den deutschen Alpen über die österreichische Grenze in Richtung Italien die Steilhänge am Meer, wo die Kinder plötzlich verschwunden sind und die Suche nach ihnen sich zu Stunden zu dehnen scheint der Vater in der örtlichen Traktorenfabrik die sächsischen Nachbarn der Mann mit der schwarzen Maske, der während der olympischen Spiele in München mit einem Maschinengewehr auf einem Balkon steht und etwas vorhat, von dem die Eltern sagen, Kinder könnten es nicht verstehen. Martina Hefter hebt Zeit und Raum im Erzählen auf, in einer wunderbar leichten Sprache, die die Erdenschwere ins poetische Schweben bringt. Sie erzählt mit spielerischer Kraft und ungemein sinnlicher Beweglichkeit, umkreist ihre Gegenstände, kehrt zum Ausgangspunkt zurück eine Feier des Unterwegsseins.