Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen.

Francis Bacon

Buchtipps des Monats - Sommer 2011

    Domin: Die Insel, der Kater und der Mond auf dem Rücken
  • Hilde Domin
  • Die Insel, der Kater und der Mond auf dem Rücken
  • Fischer Schatzinsel 2009
  • ISBN 978-3-596-85360-1
  • € 12.95

Ich lebte auf einer Insel, die war ganz anders als die Inseln, die ihr kennt. Nachmittags pünktlich um fünf flogen Papageien über das Haus, eine grüne Wolke. Wie Tauben, aber eben grün. Sie kreisten nicht, sie flogen vorbei, und sie unterhielten sich sehr laut, in ihrer eigenen Sprache.

Hilde Domin, eine der bedeutendsten Lyrikerinnen Deutschlands, die mehr als 22 Jahre ihres Lebens im Exil verbringen musste, hat ausschließlich für Erwachsene geschrieben. Mit einer Ausnahme:1966 wurde sie von der Kinderbuchverlegerin Gertraud Middelhauve gebeten, einen Text für Kinder zu verfassen. Entstanden ist der "Bericht von einer Insel", der in der Anthologie "Dichter erzählen für Kinder" veröffentlicht wurde. Die Geschichte spielt in Santo Domingo und handelt von einem einohrigen Kater. Zum 100. Geburtstag von Hilde Domin am 27. Juli 2009 erscheint dieser Text mit vielen wunderschönen Illustrationen der renommierten Illustratorin Alexandra Junge. Eine Geschichte voller Anmut und Poesie - von einer der sprachgewaltigsten Lyrikerinnen Deutschlands.

    Gustafsson: Frau Sorgedahls schöne weiße Arme
  • Lars Gustafsson
  • Frau Sorgedahls schöne weiße Arme
  • Fischer TB 2011
  • ISBN 978-3-596-18661-7
  • € 9.99

Unser Buchtipp des Monats November 2009 jetzt auch als Taschenbuch erhältlich: Gar nicht wenig, was Jochen Schimmang mitnimmt aus dieser Lektüre. Schließlich legt Lars Gustafsson seinem Helden, einem durchaus mit Zügen des Autors ausgestatteten Oxforder Philosophieprofessor, gute Gründe in den Mund, das Leben zu lieben. Das Schimmang bereits aus Gustafssons Romanzyklus "Risse in der Mauer" bekannte Leitmotiv des Individuums (Schimmang findet noch mehr Hinweise auf eine Beziehung zwischen den Werken) führt den Rezensenten durch die schwedische Kindheit und Jugend des Professors. Wie nebenher wirft die plaudernde Umkreisung alter Gustafsson-Themen dem Rezensenten immer wieder kleine Nuggets vor die Füße: Überlegungen zur Zeit (ein Möbiusband), zur Liebe (Erlösung) und zum ewigen Leben (findet statt, ganz antimetaphysisch). Laut Schimmang ergibt das nicht weniger als Gustafssons "schönstes Buch seit über 30 Jahren".

perlentaucher.de: Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2009

    Foster Wallace: Schrecklich amüsant
  • David Foster Wallace
  • Schrecklich amüsant
  • Goldmann TB 2011
  • ISBN 978-3-442-54229-1
  • € 6.95

Als "Glücksfall" feiert Richard Kämmerlings diesen zuerst 1996 im "Harper's Magazine" erschienenen Essay von David Foster Wallace. Der Autor wurde damals von der Redaktion eingeladen, an einer siebentägigen Karibik-Kreuzfahrt teilzunehmen, berichtet der Rezensent. "Entstanden ist", jubelt er begeistert, "ein Meisterstück der literarischen Reportage". Wie er ausführt, protokolliert Wallace seinen Selbstversuch mit äußerster Präzision - von der Einschiffung bis zum letzten Dinner an Bord, wobei sich sein analytischer Blick und seine überscharfe Selbstwahrnehmung auf virtuose Weise verbinden. Man erfahre alles, was man je über eine Kreuzfahrt wissen wollte (und noch viel mehr). Die genaue Abbildung des Mikrokosmos auf dem Schiff versteht Kämmerlings als Parabel auf den Western way of life. Der "Seven-Night-Caribbean"-Cruise ist für ihn eine "Höllenfahrt der Luxusklasse", deren Qual in der unendlichen Wiederholung des Vergnügens besteht. Wallace zeigt seines Erachtens die "subtilen Abhängigkeiten und Fremdsteuerungen" des Subjekts, dessen Bewusstsein im "Klammergriff von Konsum und Medien" tödlich erstarrt. Dabei erweist sich Wallace für Kämmerlings nicht als Moralist oder Griesgram, sondern als "unbestechlicher Diagnostiker menschlichen Leidensdrucks gerade unter der Fassade grenzenloser Lustbefriedigung".

perlentaucher.de: Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.09.2002

    Ortheil: Die Erfindung des Lebens
  • Hanns-Joseph Ortheil
  • Die Erfindung des Lebens
  • btb 2011
  • ISBN 978-3-442-73978-3
  • € 11.99

Die Erfindung des Lebens ist die Geschichte eines jungen Mannes von seinen Kinderjahren bis zu seinen ersten Erfolgen als Schriftsteller. Als einziges überlebendes Kind seiner Eltern, die im Zweiten Weltkrieg und der Zeit danach vier Söhne verloren haben, wächst er in Köln auf. Die Mutter ist stumm geworden, und auch ihr letzter Sohn lebt zunächst stumm an ihrer Seite. Nach Jahren erst kann er sich aus der Umklammerung der Familie lösen, in Rom eine Karriere als Pianist beginnen und nach deren Scheitern mit dem Schreiben versuchen, sein Glück zu machen. In Anlehnung an die großen Bildungsromane der deutschen Literatur entwirft dieser historisch weit ausholende Roman eine Biografie, die nach jedem Rückschlag wieder ganz neu erfunden werden muss.

    Stamm: Seerücken
  • Peter Stamm
  • Seerücken
  • Fischer 2011
  • ISBN 978-3-10-075133-1
  • € 18.95

Für sich genommen besticht jede der zehn virtuos komponierten Erzählungen des Schweizers Peter Stamm durch Ernsthaftigkeit und erträgliche Melancholie, findet der Rezensent Michael Allmaier. Immer wieder aufs Neue schickt der Autor sein Personal in zumeist kleinere Niederlagen, die in ihrer Unvermeidlichkeit schicksalhaft werden. Dabei implementiert er kunstvoll Motive des neunzehnten Jahrhunderts in die Lebenswelt des einundzwanzigsten und dekliniert die Möglichkeiten der Novelle durch, erklärt der Rezensent. Dass diese Übertragung nicht restlos aufgeht und die "Charaktere für die klassische Form zu klein, zu alltäglich sind", gehört zum literarischen Verfahren des Autors: durch das Gefälle entsteht eine interessante Spannung, die den Leser bei der Stange hält. Allerdings verliert der Rezensent durch die Anhäufung der planmäßig eingesetzten Überraschung, die stets zu Lasten der Figuren geht, auch langsam die Geduld, und er fragt sich, ob damit nicht auch die Erwartungen des verwöhnten akademischen Lesepublikums bedient werden: "Wäre die Melancholie so leicht erträglich ohne den Trost, besser dran zu sein als diese verwandten Seelen?"

perlentaucher.de: Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2011